Interview: drei Fragen an Swetlana von Bismarck zu Kindern in der Mediation

Veröffentlicht am

Familienmediatorin und Geschäftsführerin der BAFM Swetlana von Bismarck besuchte mich im Mitte Mai 2023 zum zweiten Mal im Podcast und wir sprachen über den Einbezug von Kindern in die Trennungsmediation. Die Folge kann im Podcast-Archiv von Familiebleiben angehört werden.

Ergänzend beantwortet sie mir hier im Kurz-Interview drei Fragen zu Kindern in der Mediation.

Frage 1

Wenn Eltern sich trennen, nehmen ja vor allem diese als Konfliktbeteiligte bei
dir an einer Mediation teil. In welchen Konstellationen kommen auch die
Kinder dazu?

In den seltensten Fällen würden Kinder wirklich mitverhandeln, die Verantwortung für die Entscheidung liegt ja bei den Eltern, die sich dieser Verantwortung auch nicht entziehen sollten. Deshalb heißt es „voice but no choice.“ Kinder können gehört werden und brauchen das auch manchmal, und sie sagen manchmal Dinge, die den Eltern gar nicht so bewusst waren und die diese dann in ihre neuen Vereinbarungen mit einbeziehen können. Manche Eltern erzählen mir, dass die Kinder gerne mit in die Mediation kommen wollen oder ich rege es selbst an. Dann müssen diese Termine gut vorbereitet werden. Eltern sollten nicht mehr auf der Paarebene streiten und es muss ihnen bewusst sein, dass Kinder nicht in Loyalitätskonflikte gezogen werden dürfen. Die Eltern würden in diesen Sitzungen selbst nichts sagen, sondern lediglich schützend neben ihnen sitzen. Wenn ich das Gefühl habe, die Kinder sollten unbedingt gehört werden, sie mit den Eltern gemeinsam zu hören aber vielleicht zu heikel ist, kann ich ein Kinderinterview mit den Kindern allein führen oder eine externe Fachkraft um Hilfe bitten. Grundsätzlich ist es jedoch der Mediation immanent, dass ich den Eltern vertraue, kompetent für ihre Kinder zu sorgen und deren Sorgen und Nöte zu kennen und zum Ausdruck zu bringen.

Grundsätzlich ist es jedoch der Mediation immanent, dass ich den Eltern vertraue, kompetent für ihre Kinder zu sorgen und deren Sorgen und Nöte zu kennen und zum Ausdruck zu bringen.

Swetlana von Bismarck

Etwas anderes gilt z.B., wenn es weniger um Trennung und Scheidung geht, sondern bspw. in einer Patchwork-Familie oder auch mit fast erwachsenen Kindern in Konfliktsituationen Verabredungen gefunden werden sollen. Dann fördere ich in der Mediation das bessere Miteinander oder ein Zusammenwachsen in der Familie und Kinder sind nicht den Streitigkeiten ihrer Eltern ausgesetzt. Die Gefahr eines Loyalitätskonfliktes besteht nicht. Aber auch dort muss genau geschaut werden, was liegt in der Verantwortung der Erwachsenen und wo können Kinder altersgemäß mitbestimmen.

Frage 2

Wenn, wie wohl in den meisten Fällen, die Kinder nicht (durchgehend) an den
Mediationssitzungen teilnehmen, wie werden diese dennoch im
Entscheidungsfindungsprozess im Blick behalten bzw. wie werden deren
Bedürfnisse und Interessen in die Mediation einbezogen?

Kinder sind indirekt immer mit dabei, weil ich Fragen zu den Kindern stelle und ich den Fokus auf die Bedürfnisse der Kinder lenke. Ich mache aber auch deutlich, dass es nicht nur um die Kinder geht, sondern auch die Eltern Bedürfnisse haben, die es zu berücksichtigen gilt. Wenn es den Eltern gut geht, können sie gut für ihre Kinder sorgen. Ich kann mir ein Foto zeigen lassen, einen leeren Stuhl für die Kinder hinstellen, der auch mal für den Perspektivenwechsel von einem Elternteil benutzt werden darf. Schließlich kann ich bei den Themen und den Interessen der Kinder eigene Flipcharts schreiben, um ihnen einen eigenen Fokus und Gewicht durch die Visualisierung zu verleihen. Kinder sind eine wunderbare Ressource. Eltern erfreuen sich an den Fotos, die sie mir gemeinsam zeigen. Sie kommen ins Gespräch, lachen gemeinsam und sie können erkennen, dass es Gemeinsamkeiten gibt und ihre Beziehung, auch wenn sie nun in einer Trennung mündet, wunderbares hervorgebracht hat.

Eltern erfreuen sich an den Fotos, die sie mir gemeinsam zeigen. Sie kommen ins Gespräch, lachen gemeinsam und sie können erkennen, dass es Gemeinsamkeiten gibt und ihre Beziehung, auch wenn sie nun in einer Trennung mündet, wunderbares hervorgebracht hat.

Swetlana von Bismarck

Frage 3

In meiner Mediationspraxis erlebe ich nicht selten, dass Eltern unterschiedliche Umgangsmodelle diskutieren und zumindest ein Elternteil vorschlägt, die Kinder nach ihren Vorstellungen zu fragen. Wie erlebst und findest du das?

Kinder haben Bedürfnisse und Gefühle, die von den Eltern unbedingt berücksichtigt werden sollten. Es ist aber an den verantwortungsbewussten Eltern Lösungen für diese Bedürfnisse zu finden. Es ist fraglich, ob die Eltern nach Bedürfnissen oder Interessen fragen. In unserer lösungsorientierten Welt werden Kinder eigene Vorschläge machen, d.h. im Prinzip genauso wie ihre Eltern am Anfang der Mediation mit Positionen einsteigen. Oft können sie diese Lösungen mit allen Konsequenzen nicht überblicken. Sie sagen z.B. der Mutter, ich möchte immer bei dir wohnen, einfach weil sie ihr etwas Liebes sagen wollen, ohne sehen zu können, dass sie dann wesentlich weniger Kontakt mit dem Vater haben. Letztlich muss man auch sehen, dass Kinder Kontinuität schätzen. Eigentlich soll alles so bleiben wie es ist. Sie möchten in der alten Wohnung bleiben, sie möchten ihr Umfeld erhalten. Das ist verständlich. Möglicherweise kann es aber auch sehr gut weitergehen, wenn sich alles verändert. Fragen wir Kinder, ob sie umziehen wollen, wenn einer der Elternteile eine neue Arbeit in einer anderen Stadt annimmt und die Familie mitzieht? Auch dann müssen sich die Kinder an ein neues Umfeld gewöhnen und dies birgt auch große Chancen für sie. Wichtig ist doch vor allem, dass die Kinder in der notwendigen Umstellung gut begleitet und behütet sind.

Wichtig ist doch vor allem, dass die Kinder in der notwendigen Umstellung gut begleitet und behütet sind.

Swetlana von Bismarck

Als Ergänzung empfehle ich hierzu den Artikel auf meiner Seite https://www.familienkokon.de/gut-zu-wissen/kinder-in-der-mediation.html, und auch die Ausführungen der BAFM unter https://www.bafm-mediation.de/mediation/kinder-in-der-mediation.

– – – – – – –

Links & Quellen