Interview: Drei Fragen an die BAFM

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Swetlana von Bismarck, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation, besuchte mich im März 2023 in meinem Podcast, und wir tauschten uns über die Chancen und Möglichkeit von Mediation bei Trennung und Scheidung aus.

Zusammenfassend hier drei Fragen zu Familienmediation – das ausführliche Gespräch kann in unserem Podcast-Archiv angehört werden, und natürlich überall, wo es Podcasts gibt!

Frage 1

Welche Chancen und Möglichkeiten bietet Familienmediation, um all die Fragen rund um Trennung und Scheidung zu klären?

Trennung und Scheidung sind eine zutiefst verunsichernde Lebenssituation. Familienmediation bietet einen geschützten Raum, gemeinsam und in eigener Verantwortung die Konfliktthemen zu besprechen und eine individuelle passende Lösung zu finden. Sie hilft den Konfliktparteien, Klarheit darüber zu finden, was sie und ihre Kinder für eine gute Zukunft jeweils brauchen. Insofern ist Familienmediation immer auch Empowerment in einer der schwierigsten persönlichen Situationen. Durch ihr Verständnis für die individuellen Bedürfnisse und Interessen der Konfliktparteien, ermöglichen die Familienmediator:innen den Konfliktparteien einen Perspektivwechsel. Vorübergehend gelingt es ihnen dann sich auch einmal in die Schuhe des anderen zu stellen, ohne Sorge zu haben, dass die eigenen Interessen dann nicht mehr berücksichtigt werden.

Die Familienmediator:innen strukturieren das Gespräch. Sie entwirren, ordnen, visualisieren und können die aufkommenden ganz verständlichen Emotionen nutzbar machen.

Swetlana von Bismarck (BAFM)

Familienmediation gibt damit die Chance mit neuen Verabredungen die Zukunft zu gestalten und dabei gleichzeitig gestärkt aus dieser Lebenssituation hervorzugehen. Die Vergangenheit kann angemessen gewürdigt werden, Eltern können Eltern bleiben und wieder in ihre volle Verantwortung wachsen, auch wenn sie als Paar getrennte Wege gehen. Familienmediation schafft nicht nur verlässliche, nachhaltige neue Verabredungen, sondern reduziert den mit der Trennung einhergehenden Stress aller Beteiligten erheblich. Gleichzeitig ist es auch eine Chance ganz grundsätzlich besser mit Konflikten umzugehen und für Kinder ein großartiges Vorbild zu sein.

Frage 2

Wie läuft eine Familienmediation typischerweise ab?

Familienmediator:innen klären in einem ersten Gespräch, ob sich die Konfliktparteien auf dieses konsensuale Verfahren einlassen möchten. Der geschützte Raum muss eingehalten werden. Es gilt in der Mediation Verschwiegenheitspflicht. Nachhaltige Verabredungen kann man nur treffen, wenn sie in eigener Verantwortung getroffen werden. Daraus folgt, dass die Teilnahme an einer Mediation freiwillig sein muss und die Konfliktparteien über alle wichtigen Informationen verfügen. Das gilt sowohl für alle finanziellen Faktoren als auch die eigenen Rechte. Da Familienmediator:innen, auch wenn sie selbst Rechtsanwält:innen sind, nicht selbst in der Mediation rechtlich beraten dürfen, bitten sie die Konfliktparteien, sich jeweils selbst rechtlich zu informieren. In einem zweiten Schritt wird also eine Bestandsaufnahme gemacht und Themen aufgelistet, die die Konfliktparteien lösen möchten. In der dritten Phase geht es dann um die Erarbeitung der Bedürfnisse und Interesse , die hinter den Themen liegen. Gemeinsam wird daran gearbeitet, sich selbst und den anderen besser zu verstehen. Diese Phase ist das Herzstück einer jeden Familienmediation. Ist es nach dieser Arbeit möglich, auch die Perspektive des anderen zu sehen, können gemeinsam Lösungsoptionen entwickelt und daraus neue Verabredungen getroffen werden. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, dass diese strukturierte Vorgehensweise Lösungen zu Tage bringt, an die vorher niemand gedacht hat. Die neuen Verabredungen können in einen schriftlichen Vertrag formuliert werden, den man als Scheidungsfolgenvereinbarung bei Gericht miteinbringen kann. Manchmal bedarf es einer notariellen Beurkundung. Oft genügt den Menschen durch die Erfahrung, die sie in der Mediation machen aber auch ein Flipchart-Protokoll.

Familienmediator:innen beziehen auch Kinder mit in die Mediation ein, soweit dies passt und die Eltern einverstanden sind. Oft passiert das einfach mit einem Foto, einem leeren Stuhl oder einer eigenen Themenliste für die Kinder. Kinder können aber auch direkt in die Mediation eingeladen werden. Je nach Alter der Kinder und Konfliktstand können sie sich äußern und gehört werden. Niemals dürfen sie dabei in einen Loyalitätskonflikt kommen. Ebenso wenig dürfen sie erneut einem Streit ihrer Eltern ausgesetzt werden. Kinder sind jedoch immer mittendrin im Konflikt, selbst wenn Eltern es tapfer schaffen, nicht vor ihnen laut zu werden. Oft hilft es Kindern in ihrem Streben nach Selbstwirksamkeit zu erleben, dass ihre Eltern gemeinsam wieder Verantwortung für sie übernehmen.

Familienmediation ist nicht immer das geeignete Verfahren. Stellt sich in der Mediation heraus, dass es z.B. ein großes Machtungleichgewicht gibt, was nicht verändert werden kann oder eine Partei nicht in eigener Verantwortung für sich entscheiden kann, wird die Mediation abgebrochen, aber auch dann ist häufig schon etwas gewonnen. Kleine Verabredungen sind bereits getroffen und funktionieren. Ein Versuch lohnt sich immer.

Frage 3

Wie finden Eltern passende und gut qualifizierte Mediator:innen?

Familienmediator:innen sind besonders ausgebildet. Sie kennen sich sowohl in rechtlichen als auch familiendynamischen und systemischen Fragen aus. Sie haben die Kinder im Blick. Als Mediator:innen sind sie neutral in der Sache, aber zugewandt und für ihre Klient:innen voller Verständnis.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation hält eine Liste unter https://www.bafm-mediation.de/mediation/mediator-innensuche/  bereit, in der per PLZ qualifizierte Familienmediator:innen in der Region gefunden werden können. Es gibt auch regionale Gruppen https://www.bafm-mediation.de/mitglieder/regionalgruppenliste/ und Mediationszentralen, die Mediator:innen vermitteln.

Für Menschen mit geringem Einkommen kann in den öffentlichen Erziehungs- und Familienberatungsstellen angefragt werden, ob Mediation angeboten wird. Diese Stellen werden durch die Jugendhilfe finanziert. Deshalb kann man dort in den meisten Fällen leider nur die Themen, die die Kinder betreffen, jedoch keine finanziellen Themen besprechen. Es wird trotzdem weiterhelfen, auch nach der Trennung zukünftig verantwortungsvolle Eltern zu bleiben.

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BAFM – Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation e.V.

Podcast-Folge zu Mediation bei Trennung und Scheidung mit Swetlana von Bismarck (BAFM)