Eine Elterntrennung ist eine vorübergehende Krise, aus der sowohl Eltern als auch Kinder gestärkt hervorgehen können.
Ute Steffens
Es gibt kein Patentrezept dafür, dass Kinder die elterliche Trennung gesund verarbeiten.
Wir müssen dazu die entwicklungsbedingten Bedürfnisse und Glaubenssätze von Trennungskindern kennen und ihnen authentisch sowie kindgerecht begegnen. So sind beispielsweise im Krippenalter Rituale, Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit -auch im Umgang mit dem Elternteil, das die gemeinsame Wohnung verlassen hat – extrem wichtig. Das wiederum setzt die Bereitschaft des verbleibenden Elternteils voraus, den anderen gelegentlich in die Privatsphäre hineinzulassen, damit diese/r den Säugling oder das Kleinkind vielleicht baden, zu Bett bringen, ihm etwas vorlesen kann oder um gemeinsam mit dem Kind eine Mahlzeit einnehmen zu können.
Bei jungen Kindern geht es darum, Sicherheit und Vertrauen in der Beziehung zu beiden Eltern entwickeln zu können. Dabei ist die Regelmäßigkeit wesentlich wichtiger als die Häufigkeit der Kontakte.
Für das Kindergartenalter dann lassen sich, genauso wie für alle weiteren Entwicklungsphasen, wieder andere Entwicklungsaufgaben und Bedürfnisse beschreiben.
Hier sind beide Eltern das wesentliche Modell für die geschlechtliche Identität von Kindern. Ihrem Verhalten entnehmen Kinder, was eine „richtige Frau“, ihre Mutter und was einen „richtigen Mann“, ihren Vater, ausmacht. Damit gemeint sind die Rollen- und Aufgabenverteilung innerhalb einer Familie, die auch queere oder gleichgeschlechtliche Eltern kennen.
Auch lernen Kindergartenkinder am elterlichen Vorbild, wie sich die Geschlechter zueinander verhalten.
Fragt man Dreijährige, wen sie einmal heiraten wollen, so antworten sie mit ziemlicher Sicherheit: “meine Mama“ oder „meinen Papa natürlich!“ Kraft ihres „magischen Denkens“ drücken sie so sie eine entwicklungstypische Rivalität zum gleichgeschlechtlichen Elternteil um die Gunst des anderen aus.
Fällt eine Trennung in diese Zeit, in der die meisten Kinder laut Statistik noch bei der Mutter leben, so erleben besonders kleine Jungen häufig einen magischen „Triumph“, diese Rivalität für sich entschieden und den Vater von der Seite der Mutter verdrängt zu haben. Damit einher geht natürlich die Angst, deshalb die Liebe des Vaters zu verlieren und an der Trennung Schuld zu sein.
Diese Ambivalenz ist eine enorme psychische Überforderung, der sowohl Väter entgegenwirken können, indem sie Grenzen setzen, als auch Mütter, indem sie den kleinen Jungen in altersgerechte Schranken weisen. Das kann beispielsweise bedeuten, dass Kinder zunächst in ihrem eigenen Bett einschlafen. Natürlich können sie später ins ehemalige Elternbett wechseln, wenn sie Nähe brauchen, schlecht geträumt haben oder Ähnliches. Diese Grenzen entlasten Drei- bis Fünfjährige enorm.
Zusammenfassend lassen sich für Trennungskinder jeden Alters die folgenden Bedürfnisse beschreiben:
Kinder brauchen
- beide Eltern, und zwar ein realistisches Bild
- eine Korrektur des spontanen Schuldimpulses
- es, sich selbst als im Wachsen und Werden zu begreifen
- Schutz davor, in Loyalitätskonflikte zu geraten
- Schutz vor Parentifizierung
- Eine authentische und kind- (entwicklungs-) gerechte, verantwortungsvolle Kommunikation
Die gute Nachricht aber lautet: Eine Elterntrennung ist eine vorübergehende Krise, aus der sowohl Eltern als auch Kinder gestärkt hervorgehen können.
Eine Krise übrigens, die inzwischen fast die Hälfte aller Familien in Deutschland betrifft.
Das ist Nachricht, die ich aus meiner langjährigen Tätigkeit in der Erziehungsberatung von Trennungseltern mitnehmen durfte, um sie nun an alle Betroffenen weitergeben zu können.
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Vielen Dank, liebe Dr. Isabell Lütkehaus, für die Möglichkeit meine Arbeit in einem Gastbeitrag auf Ihrem Blog vorstellen zu dürfen!
Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt schon seit meinem Studium auf der gesunden Entwicklung von Kindern in schwierigen Situationen. Damit in die Öffentlichkeit zu gehen und meine Arbeit als Autorin hat mit verfremdeten, anonymisierten Protokollen meiner Beratungen von Trennungseltern angefangen – und mit einer Gruppe von frisch getrennten Müttern, die mit mir darüber nachgedacht haben, wie wohl ein Ratgeber sein müsste, damit sie ihn gerne läsen und als wirkliche Unterstützung empfinden würden. Dann kam Corona und die Beratungsstellen mussten schließen, während Eltern in Trennung dazu verdonnert waren, näher aufeinander zu hocken als es ihnen und damit auch ihren Kindern gut tat.
Deshalb habe ich zunächst meinen Blog www.trennungskinder.blog ins Leben gerufen und kostenlose Beratung per mail angeboten. Das wurde gut aufgenommen, und schließlich resultierte daraus mein erster – etwas anderer – Ratgeber für Trennungseltern. Darauf folgte dann ein Fachbuch für pädagogische Fachkräfte in Krippe, Kita, Hort. Ein weiteres Projekt, in dem es zwar nicht um Trennung, aber ebenfalls um die gesunde kindliche Entwicklung geht, ist so gut wie fertig und wird im Herbst bei Herder erscheinen.
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