Interview: drei Fragen an Jens Christian Göke zu Sorgerecht und Umgang

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Jens Christian Göke besucht mich zum zweiten Mal im Podcast und wir sprechen über die Abgrenzung von Sorgerecht und Umgang sowie darüber, wie Trennungseltern für diese beiden wichtigen Aspekte der Elternschaft gute Regelungen finden können.

Bevor unsere zweite gemeinsame Podcast-Folge am 26. Mai 2023 erscheint, beantwortet er mir im Kurz-Interview ein paar Fragen zu Sorgerecht und Umgang.

Frage 1

Wenn es um gemeinsame Kinder geht, spielen Fragen von Sorgerecht und Umgang eine zentrale Rolle. Oft erlebe ich, dass Trennungseltern die Unterscheidung nicht ausreichend klar ist – wie würden Sie diese kurz zusammengefasst erklären? 

Eltern haben die Pflicht und das Recht, für ihre minderjährigen Kinder zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes und sein Vermögen. Letztere beinhaltet auch die rechtliche Vertretung des Kindes. So schreibt es das Gesetz in § 1626 BGB vor. Das Umgangsrecht ist  begrifflich vom Sorgerecht zu trennen. Jedes Kind hat ein Recht auf Umgang. Auch einem Elternteil ohne Sorgerecht steht das Recht auf Umgang zu. Es dient der Pflege der Eltern-Kind-Beziehung und betrifft vor allem das tatsächliche Zusammensein eines Elternteils mit seinem Kind. Art und Umfang des Umgangs werden nicht gesetzlich geregelt. Die Eltern sind in erster Linie dafür verantwortlich, die Art und den Umfang des Umgangsrechts mit dem Elternteil festzulegen, der das Kind nicht überwiegend betreut. 

Frage 2

Sollte ein unverheirateter Vater kein Sorgerecht haben, ist es dann mit der Trennung zu spät oder was kann er jetzt noch tun?

Nein, bei einer guten Eltern-Kind Beziehung ist eine Trennung häufig bei dem nicht sorgeberechtigten Elternteil mit der schmerzlichen  Erkenntnis verbunden, dass der andere Elternteil rechtlich alle  Entscheidungen für das Wohl des Kindes alleine entscheiden kann. Bisher lebte man zusammen und man hat sich über die rechtliche Verantwortung für das gemeinsame Kind keine Gedanken gemacht, weil alle Entscheidungen einvernehmlich und harmonisch getroffen worden sind. Nach einer Trennung ist das aber nicht mehr selbstverständlich. Wenn der Paarkonflikt sich auf die Elternebene auswirkt, wird es von dem nicht sorgeberechtigten Elternteilen als ungerecht empfunden, nicht am Sorgerecht für das Kind beteiligt zu sein.  Insofern ist eine Trennung häufig Anlass genug, sich nun endlich um die Mitsorge zu kümmern. 

Und selbst wenn ein Vater das Sorgerecht hat, die Kinder aber nicht bei ihm wohnen, wie stellt er sicher, dass er sein Mitspracherecht nicht verliere, für z.B. so zentrale Fragen wie Wohnsitz und Schulwahl ?

Meine Erfahrung ist, dass Gerichte in der Regel kurz nach einer Trennung sehr zurückhaltend sind, in die Sorge einzugreifen, sofern nicht der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes strittig ist oder das Wohl des Kindes gefährdet ist. In der Regel versuchen die Gerichte den Eltern zu verdeutlichen, dass sie ihre Kinder am besten kennen und eine gute Elternschaft nur dann gelingen kann, wenn beide an einem Strang ziehen und den gleichen Blick auf die Belange ihrer Kinder haben. Häufig empfehlen Gerichte, dass die Eltern erst einmal versuchen sollten, ihre Paarkonflikte zu überwinden und Elternkommunikation zu stärken, indem sie ihnen anraten, Eltern- und Familienberatungen wahrzunehmen. Wenn das den getrennt lebenden Eltern gelingt, gibt es auch keinen Grund in die elterliche Sorge einzugreifen und einem Elternteil die Alleinsorge zuzuweisen.  Daher ist es wichtig, Paarkonflikte zum Wohl der Elternebene zurückzustellen und die Kooperation und Kommunikation in Bezug auf die Kinder von Anfang an, am spätestens nach der Trennung zu pflegen und zu stärken. 

Wer darf entscheiden, wo die Kinder leben, in welche Schule sie angemeldet werden, zu welchem Arzt sie gehen? Hat der Elternteil, bei dem die Kinder leben, mehr Rechte?

Der Elternteil bei dem die Kinder nach einer Trennung überwiegend leben, hat die Alltagssorge. Er kann Entscheidungen des alltäglichen Lebens ohne Beteiligung des anderen Elternteil alleine treffen. Das sind Entscheidungen, die in der Regel häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. In Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ist gegenseitiges Einvernehmen der Eltern erforderlich.  Oft ist die Abgrenzung schwierig. Dies zeigt sich für den Fall von Auslandsreisen. Die Entscheidung über eine gewöhnliche Urlaubsreise ins europäische Ausland außerhalb von Krisenzeiten ist in der Regel von der Alltagssorge des betreuenden Elternteils erfasst, ebenso wie der umgangsberechtigte Elternteil in seinen Umgangszeiten vergleichbare Urlaubsreisen ohne Zustimmung des anderen Elternteils machen kann. Schwierig wird es nur dann, wenn diese Reise eine Gefahr für das Wohl des Kindes bedeuten würde, z.B. für den Fall gewalttätiger Unruhen im Urlaubsland. In diesem Fall ist die Entscheidung über den Antritt der Reise eine Entscheidung der gemeinsamen Sorge, über die die Eltern sich verständigen müssen. Die Reiseempfehlungen des Auswärtigen Amtes bieten hier gute Orientierung. Es ist aber stets eine Einzelfallentscheidung. 

Frage 3

Wann darf ein Elternteil seine Kinder regelmäßig sehen?

Das Gesetz vermutet, dass zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen gehört (§ 1629 Abs. 3 BGB). Grundsätzlich ist das Umgangsrecht sowohl ein Recht, als auch eine Pflicht. Das Kind hat ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Dabei haben die Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Können sich die Eltern auf die Art und den Umfang des Umgangsrechts nicht einigen, kann dies nur ein Familiengericht regeln und wenn das Wohl des Kindes dies erfordert, das Umgangsrecht auch einschränken oder sogar ausschließen. Letzteres ist jedoch an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft. Ohne ein Sachverständigengutachten eines Familienpsychologen wird hier eine kindgerechte Entscheidung durch das Gericht nicht möglich sein. 

Wann kann ein Elternteil umgekehrt den anderen Elternteil bitten, sie zu nehmen, damit er/sie z.B. arbeiten gehen kann?

Das Umgangsrecht ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Wenn der umgangsberechtigte Elternteil seinen Umgang nicht wahrnimmt, kann dies auch Anlass für ein Ordnungsgeld sein. Sollte er jedoch tatsächlich und langfristig den Umgang mit seinem Kind ablehnen, kann dies auch Anlass sein, von einer Vollstreckung abzusehen. Denn dem Wohl des Kindes wird kein Gefallen getan, wenn der umgangsberechtigte Elternteil eigentlich den Kontakt ablehnt und das Kind nur deshalb zu sich nimmt, weil er ansonsten ein Ordnungsgeld zu fürchten hatte. 

Dankeschön für diese hilfreichen Antworten, Herr Göke – mehr dazu am 26. Mai 2023 im Podcast-Gespräch!

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