Interview: drei Fragen an Rechtsanwalt Jens Christian Göke

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Die meisten Paare mit Kindern leben vor ihrer Trennung zusammen unter einem Dach. Was mit der gemeinsamen Familienwohnung passiert, wenn ein Elternteil von beiden sich trennen möchte, wenn einer auszieht oder möchte dass der andere auszieht, haben Rechtsanwalt Jens Christian Göke und ich bereits Anfang Februar 2023 ausführlich in meinem Podcast besprochen.

Heute hierzu nochmals drei schnelle Fragen:

Frage 1

Angenommen, es handelt sich um eine Mietwohnung, und beide stehen im Mietvertrag. Kann dann ein Elternteil vom anderen fordern, auszuziehen?
Und was, wenn nur einer von beiden im Mietvertrag steht? Was ist anders bei einer (gemeinsamen) Eigentumswohnung?

Verheiratete Paare haben an der Ehewohnung ein gemeinschaftliches Nutzungsrecht. Ein Ehegatte kann den anderen also grundsätzlich nicht einfach “rausschmeißen”. Können sich die Ehepartner nicht einigen, wer die gemeinsame Wohnung behalten darf, kann das Familiengericht auf Antrag eines Ehegatten darüber entscheiden, wer die Wohnung zukünftig alleine nutzen darf. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Wohnungszuweisung. Die Anforderungen sind jedoch sehr streng. Derjenige, der die Wohnung alleine nutzen möchte, muss das Gericht davon überzeugen, dass es für ihn absolut unzumutbar sei, mit dem anderen Ehegatten weiterhin unter einem Dach leben zu müssen (sog. unbillige Härte) und es für den weichenden Ehegatte zumutbar sei, die Wohnung verlassen zu müssen (sog. Belange des anderen). Dies ist unter anderem bei häuslicher Gewalt offensichtlich der Fall und wenn die Kinder extrem unter dem Streit ihrer Eltern leiden. Hier ist es egal, ob beide im Mietvertrag stehen oder nur einer der Eheleute. Die Zuweisung während der Trennungszeit regelt nur die Nutzung, ändert jedoch nicht den Mietvertrag. Hier kann erst mit der Rechtskraft der Scheidung eine abschließende Regelung zum Mietvertrag durch eine gemeinschaftliche Überlassungserklärung gegenüber dem Vermieter geschaffen werden. Vor Rechtskraft der Scheidung ist eine Entlassung aus dem Mietvertrag nur mit Zustimmung des Vermieters möglich. Eine einfache Mitteilung, man sei ausgezogen, reicht daher nicht aus, um aus der vertraglichen Haftung entlassen zu werden.  

Frage 2

Wenn noch gar nichts geregelt ist wie Wohnsitz und Umgang, ein Elternteil nach der Trennung aber dringend räumlichen Abstand braucht und auszieht, vergibt er/sie sich dann rechtlich gesehen etwas, wenn er/sie die Räume vorübergehend verlässt? Welche Nachteile kann dies mit sich bringen?

Grundsätzlich kann eine vorläufige räumliche Trennung Entlastung in einem eskalierten Trennungskonflikt bedeuten. Jedoch muss man bedenken, dass je länger ein freiwillig ausgezogener Ehegatte keine Rückkehrabsicht bekundet, es schwieriger werden könnte, die Wohnung sich zur alleinigen Nutzung zuweisen zu lassen. Der ausgezogene Ehegatte ist sogar gesetzlich verpflichtet, binnen sechs Monate nach dem Auszug dem anderen Ehegatten seine ernsthafte Rückkehrabsicht ausdrücklich mitzuteilen, andernfalls vermutet das Gesetz unwiderlegbar, dass er endgültig die Wohnung verlassen wollte.

Frage 3

Und darf der vorübergehend ausziehende Elternteil, wenn er/sie bisher hauptbetreuend, die Kinder einfach mitnehmen? Und umgekehrt, kann der zurückbleibende Elternteil fordern, dass die Kinder in der bisherigen gemeinsamen Familienwohnung bleiben?

Im Fall der gemeinsamen Sorge kann kein Elternteil ohne Zustimmung des anderen Elternteil den Lebensmittelpunkt der Kinder verändern. Es ist rechtlich nicht zulässig, die Kinder einfach bei seinem Auszug mitzunehmen, selbst wenn der Umzug nur in die Nachbarschaft erfolgen soll. Entweder einigen sich die Eltern, wie in welchem Haushalt die Kinder zukünftig betreut werden sollen oder der weichende Ehegatte muss einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sich stellen.

Vielen Dank für Ihre Antworten, Herr Göke!

Das ausführliche Gespräch zwischen Herrn Göke und mir zu diesem Thema kann in unserer gemeinsamen Podcast-Folge nachgehört werden.

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Die Antworten dienen nur als erste allgemeine Orientierung und ersetzen keine Rechtsberatung für die individuelle Situation.