Dorothea Behrmann ist Gestalttherapeutin, systemische Paar- und Familientherapeutin sowie Coach. Sie ist spezialisiert auf gute Trennungen und begleitet Menschen durch schmerzhafte Trennungsprozesse.
Dorothea Behrmann war bereits zweimal bei uns im Familiebleiben Podcast zu Besuch, einmal zu Trennung wagen sowie einmal zu den sieben Phasen des Loslassens. Eine dritte Aufnahme zu Abschiedsritualen steht für Oktober 2023 an und wird zum Jahreswechsel veröffentlicht.
Ihren umfangreichen Erfahrungsschatz aus der Praxis, insbesondere wie es gelingen kann, aus Trennungskrisen gestärkt hervorzugehen, erläutert sie in ihrem wunderbaren Ratgeber »Die 7 Phasen des Loslassens«.
Heute beschreibt sie für uns diese sieben Phasen in einem Gastbeitrag.
Phase 1: Den Schock der Trennung überwinden
In dieser Phase geht es darum, Strategien zu finden, in der ersten Zeit nach der Trennung durch den Alltag zu kommen. Vor allem, wenn man von dem/der Partner:in verlassen wurde, laufen im Gehirn Programme ab, die sich anfühlen, als ginge es um Leben und Tod. In meinem Buch gebe ich hierfür ganz praktische Hinweise, was es braucht, um die ersten Wochen nach der Trennung zu überstehen und weist dabei auf diverse Hilfsangebote hin. Ich zeige auf, wie wichtig Freunde oder Familienmitglieder in dieser Phase des Loslassens sind, die Trost spenden und vielleicht auch mit Essen versorgen. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Hilfe zur Selbsthilfe und einfache Übungen, aus dem Ausnahmezustand wieder in einer Art Balance zu kommen.
Phase 2: Einen Umgang mit negativen Emotionen finden
Die zweite Phase des Loslassens zeigt anhand zahlreicher praktischer Übungen auf, wie es gelingt, einen gutem Umgang mit den bei einer Trennung als negativ oder überwältigend empfundenen Gefühlen wie Wut, Trauer, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ohnmacht, zu finden. Ich empfehle eine Kombination verschiedener Ansätze, wie zum Beispiel das „Duale Trauermodell“, bei dem man sich bewusst, in einem zeitlich begrenzten Rahmen, mit dem Trennungsschmerz auseinandersetzt, um sich dann wieder auf die Dinge des täglichen Lebens zuzuwenden.
Phase 3: Raus aus der Opferrolle! So kommen Sie wieder in Ihre Kraft
Trennungen sind eine starke Erschütterung für den Selbstwert. Viele denken dann: »Oh Gott, ich habe es vermasselt, ich bin nicht gut genug.« Um das Ego wieder einigermaßen aufzubauen, geben viele der anderen Person die Schuld, was jedoch nicht dazu führt, sich besser zu fühlen. Die 3. Phase des Loslassens gibt viele Anregungen, sich selbst zu reflektieren und den Blick dafür zu schärfen, was in der Beziehung schief gelaufen ist. Diese Art der Selbstreflektion hilft dabei, in eine aktive Position zu kommen und kann sehr erhellend sein. Dabei helfe ich, sich die richtigen Fragen stellen, die nicht scham- oder schuldbelastet sind, sondern wieder in die Kraft bringen, sodass der Trennungsprozess in eine positive Richtung gehen kann.
Phase 4: Aus alten Mustern ausbrechen
In dieser Phase des Loslassens bietet sich die Chance, das Leben wieder in die Hand zu nehmen und etwas zu verändern. Dazu gebe ich viele Anregungen, die eigene Geschichte zu reflektieren und Rückschlüsse zu ziehen, wie diese das Beziehungsverhalten geprägt hat. Dazu gehört ganz genau hinzuschauen: Wo habe ich mich egoistisch verhalten? Wie habe ich meine Bedürfnisse kommuniziert? Welche Verhaltensmuster habe ich an den Tag gelegt, für die mein Partner gar nichts kann, und woher kommen die? Häufig geht es da um Abwehr- und Schutzmechanismen, denn die meisten von uns haben irgendwann Kränkungen oder Zurückweisungen erlebt und gelernt, auf eine bestimmt Art damit umzugehen. Ich zeige in diesem Kapitel auf, dass eine Trennungskrise, neben allem Leid und Schmerz, eine Chance darstellt, sich endgültig von ungesunden Verhaltensmustern zu befreien.
Phase 5: Das Gute bewahren
In der fünften Phase geht es darum, das Gute zu bewahren. Vielen Menschen fällt es unmittelbar nach der Trennung schwer, Dankbarkeit für all das Schöne zu empfinden, das in einer Beziehung geschehen ist. In diesem Kapitel zeige ich auf, wie Vergebung dabei helfen kann, den Blick auf das Gute zur richten. Sie beschreibt, wie Vergebung auch bei strittigen Trennungen gelingen kann und stellt das hawaiianische Ritual “ Ho` Oponopono“, vor, das sie auf Trennungssituationen überträgt. Aus der Praxis weiß ich: Erst wenn die Fehler der anderen Person und die eigene Fehlbarkeit anerkannt und verziehen werden, ist der Blick auf das Gute wieder frei und die Zukunft kann konstruktiv gestaltet werden.
Phase 6: Den Abschied gestalten
In unserem Kulturkreis gibt es Rituale zur Verlobung und zur Hochzeit, nicht jedoch nach einer Trennung oder Scheidung.
Dorothea Behrmann
In dieser Phase des Loslassens werden Rituale beschrieben, die von meinen Klient:innen als heilsam empfunden wurden, besonders dann, wenn Kinder im Spiel sind. Wie ein Trennungsritual individuell gestaltet werden kann, welche Komponenten dabei wichtig sind, erfährt der/die Leser:in in diesem Kapitel. Auch strittige Trennungen werden in diesem Kapitel berücksichtigt.
Phase 7: Einen Neuanfang wagen
In dieser Phase des Loslassens betone ich, dass ein Neuanfang nicht bedeutet, dass man nicht noch manchmal traurig oder wütend ist. Statt sich jedoch immer wieder zu fragen, wer, wem, was angetan hat, sollte der Blick bei einer gut verarbeiteten Trennung vielmehr nach vorne, in die Zukunft, gerichtet sein. Das ist für viele Menschen eine Gelegenheit, sich zu überlegen: Wie lebe ich? Will ich so leben? Viele verändern sich dann beruflich, machen ein Sabbatical probieren neue Hobbys aus. Andere merken, dass sie bereits wieder eine neue Partnerschaft eingehen möchten. Wer vorher die anderen sechs Phasen durchlaufen hat, kann sich, wenn gewünscht, wieder öffnen für eine neue Liebe. Für Eltern bedeutet der Neuanfang nach einer Trennung zwei Familien, vielleicht eine Patchwork-Konstellation, auch das ist aufregend und kann für alle Beteiligten erfreulich sein.