Interview: drei Fragen an Sarah Zöllner

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Journalistin und Autorin Sarah Zöllner engagiert sich privat und beruflich für die Belange Alleinerziehender sowie Menschen, die für andere Fürsorge übernehmen. 2020 erschien ihr Buch „Alleinerziehend – und nun?“, auf ihrem Blog mutter-und-sohn.blog schreibt sie über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Anerkennung von Care-Arbeit und ihren Alltag mit zwei Kindern. Als Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen schreibt sie u.a. für die Zeitschrift ELTERN. 

Frage 1

Liebe Sarah, ich habe sehr gern dein Buch “Alleinerziehend – und nun?” gelesen und ja auch bereits vor einem Jahr für meinen Blog besprochen: praxisnah, ehrlich und zugleich positiv und zuversichtlich. Was war der konkrete Auslöser für dich, ein Buch für Alleinerziehende zu schreiben? Was möchtest du damit erreichen? Welchen Nutzen für deine Leser:innen hat dein Buch?

Anlass, mein Buch zu schreiben war 2017 die Trennung vom Vater meines damals 1 1/2-jährigen Sohnes. Ich lernte dadurch das Alleinerziehendsein aus eigener Erfahrung kennen, startete 2018 meinen Blog mutter-und-sohn.blog und fing an, mich mit anderen allein- und getrennt erziehenden Müttern und Vätern zu vernetzen. Über all das schreibe ich in meinem Buch in Form von kurzen, leicht zu lesenden Texten. Der Untertitel ist nicht umsonst „Texte der Stärkung“, denn genau das möchte ich damit erreichen: andere Alleinerziehende darin zu bestärken, dass auch nach einer Trennung oder nach einem Verlust ein Neuanfang möglich ist und dass du vor allen auch Kraft und Stärke aus dir selbst ziehen kannst, sobald du erst das Bild der immer starken Frau und Mutter loslassen konntest. Auch als starke Frau darfst du phasenweise mut- und kraftlos sein – es geht darum, was du weiter daraus machst.

Frage 2

Das Ende einer Liebe ist ja meist ohnehin schon traurig und belastend; sobald Kinder involviert sind, kommt noch eine gewichtige zweite Ebene hinzu. Zur Trauer über das Ende einer Liebe gesellen sich Sorgen um das Wohl der Kinder sowie eigene Zukunftsängste.

Welche typischen Gedanken, Ängste und Sorgen machen sich Eltern, wenn sich eine Trennung abzeichnet?

Wie können sich Eltern Raum für Trauer nehmen, neben dem oft sehr vollen Alltag mit Kindern und gegebenenfalls ihrem Berufsleben?

Ich denke, als Mutter oder Vater bist du bei einer Trennung in der besonderen Situation, dir nicht nur Gedanken um dich, sondern auch um deine Kinder zu machen. Wie werden sie die Trennung verkraften? Welche Form des Umgang lebt ihr als getrennte Eltern? Wie kommst du auch finanziell mit ihnen über die Runden?

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erschweren Alleinerziehenden ja leider noch immer den Alltag, sei es, dass die Kinderbetreuung in Kitas oder Schulen nicht ausreicht, so dass eine Arbeit, die euch finanziert, rein zeitlich nicht möglich ist. Sei es bei Fragen des Steuerrechts, oder wenn eigentlich gut gemeinte Unterstützungsangebote bei Alleinerziehenden nicht ankommen, weil sie davon gar nichts erfahren oder nicht wirklich mit Blick auf Ein-Eltern-Familien umgesetzt werden, wie zuletzt bei der Erhöhung des Kindergeldes, das bei Alleinerziehenden auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird.

Mir hat der Umstand, getrennt erziehende Mutter zu sein, auch die Augen geöffnet, unter welchen Bedingungen in Deutschland Menschen, die für andere sorgen, leben. Diese Bedingungen sind nicht immer gut.

Entsprechend würde ich frisch getrennten Eltern raten: sucht euch Verbündete! Holt euch Hilfe, vom psychologischen und rechtlichen Rat bis hin zur Unterstützung im Alltag. Knüpft Netzwerke, geht auf die nette Nachbarin oder die Mutter des Schulfreundes zu und fragt, ob sie euer Kind von der Schule abholen oder stundenweise auf es aufpassen können. Ihr seid alleinerziehend, aber nicht allein. Und nur, wenn ihr euch den Rahmen schafft, in dem ihr auch mal durchatmen und zur Ruhe kommen könnt, habt ihr überhaupt die Möglichkeit, eurer Wut oder Trauer über das Erlebte Raum zu geben. Keine Zeit zu haben und immer „funktionieren“ zu müssen, ist für viele Alleinerziehende ein Problem. Aber es gibt inzwischen zahlreiche Unterstützungsangebote – macht euch auf die Suche, ihr seid es wert, sie zu nutzen!

Frage 3

Mir fällt immer wieder auf, wie unterschiedlich getrennte Eltern den Begriff “alleinerziehend” auslegen. Bei manchen taucht der andere Elternteil praktisch gar nicht mehr auf, bei anderen sehr regelmäßig, zum Beispiel jedes zweite Wochenende, aber nicht im Alltag, einige leben sogar im paritätischen Wechselmodell. Ist hier sinnvoll, wenn beide Elternteile, wenn auch in unterschiedlichen Anteilen, involviert sind, von alleinerziehend zu sprechen? Wäre es nicht besser, neue und genauere Begriffe zu finden? Getrennt erziehend? Co-Parenting?

Ich denke, man muss sehen, dass Begriffe immer eine persönliche und eine gesellschaftliche Ebene haben. Der Begriff „alleinerziehend“ wird leider noch immer oft negativ mit Armut oder Isolation verbunden. Daher mögen ihn viele Alleinerziehende auch nicht. Allerdings kann ich ihn auch als Zeichen meiner Stärke nutzen, weil ich tatsächlich mein Kind ohne Unterstützung des anderen Elternteils ins Leben begleite, oder weil ich mich eben der Gruppe der Alleinerziehenden zugehörig fühle und zum Beispiel ihre politischen Interessen vertreten möchte. Viele Menschen, die sich für Alleinerziehende engagieren, leben gerade nicht auf sich allein gestellt und haben Unterstützung durch enge Freunde, den/die Expartner:in oder eine neue Partnerschaft. Oft haben sie genau dadurch erst die Kraft, sich für andere einzusetzen!

Letztlich finde ich viel wichtiger, statt sich über Begrifflichkeiten zu streiten oder gar darüber, wer „richtig alleinerziehend“ ist, die persönlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für alle Menschen, die für andere sorgen, zu verbessern. Klarheit – auch in der Sprache – hilft, um zu wissen, worüber genau frau gerade spricht. Aber letztlich ist doch das Handeln bedeutend und für Mütter oder Väter, wie sie mit ihren Kindern umgehen und ob sie für sie im Alltag da sind. Darüber entscheidet weder die Form des Umgangsmodells, noch der Begriff, den ich verwende. Familie ist, wo Kinder sind. Richte ich den Fokus auf meine Kinder, erübrigt sich der Streit um Begriffe. Dann geht es darum: geht es ihnen gut und bin ich im Alltag für sie da? Das ist meiner Meinung nach entscheidend.

Liebe Sarah, herzlichen Dank für dieses Interview – ich freue mich auf unser ausführlicheres Gespräch bald hier auf meinem Blog…

Sarah Zöllner
Alleinerziehend – und nun?: Texte der Stärkung bei Trennung und Verlust

Preis : 12,90 Euro
BoD – Books on Demand; 2. Edition (2. September 2020)
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3751973267

Website Sarah Zöllner

Bild: Sofia Wagner Fotografie