Buchbesprechung: »Die vorletzte Frau« von Katja Oskamp

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Zum Jahresabschluss habe ich ein autobiografisches Buch gelesen, das ich unbedingt empfehlen möchte; über eine wunderbare Liebesbeziehung und zugleich außergewöhnliche Stieffamilie: »Die vorletzte Frau« von Katja Oskamp.

Die Autorin durfte ich im Herbst 2024 mit diesem Buch auf der Frankfurter Buchmesse erleben und war sehr beeindruckt von ihrer ungekünstelten Art und ihren fröhlichen, offenen und lebensklugen Antworten. So leicht, ehrlich und humorvoll liest sich auch das Buch.

Die Ich-Erzählerin in »Die vorletzte Frau« ist eine junge angehende Autorin mit einer nicht einmal drei Jahre alten Tochter aus erster Ehe, die sich im Studium in ihren Dozenten Tosch verliebt, einen berühmten, 19 Jahre älteren Autoren aus der Schweiz. Die beiden kommen zusammen und leben in Berlin – in getrennten Wohnungen; er in seiner Junggesellenbude, sie gemeinsam mit der Tochter. Und auch im Laufe ihrer 19 Jahre andauernden Beziehung werden sie nie zusammenziehen, und sind dennoch unverrückbar füreinander da, beruflich und privat; fahren gemeinsam in den Urlaub, interessieren sich für den anderen und kümmern sich umeinander. Es ist sehr berührend zu lesen, wie intensiv sich die beiden austauschen und wie zuverlässig und anpackend die Ich-Erzählerin für Tosch sorgt, als er beginnt, zunehmend krank zu werden.

Als ich Tosch begegnete, war ich dreißig, er neunundvierzig. Neunzehn Jahre betrug der Altersunterschied. Neunzehn Jahre währte auch unsere Beziehung, eine merkwürdige Übereinstimmung. Im ersten Fall galt neunzehn als viel, im zweiten als wenig. Neunzehn läppische Jahre. Neunzehn von, sagen wir, achtzig Jahren, die ein durchschnittliches Frauenleben heutzutage dauert. Ich hatte bis fast zum Schluss das Gefühl, wir hätten uns gerade erst kennengelernt, würden aber bald, in naher Zukunft, zum Kern vordringen. Später dachte ich darüber nach, ob der Satz Tosch war der Mann meines Lebens zutraf und ab welchem Alter man einen solchen Satz sagen durfte. Ich pflegte eine Schwäche für simple Zahlenspiele, nichts Aufwendiges, eher Milchmädchenrechnungen nach Hausfrauenart. Ich rechnete in Gedanken vor mich hin und umkreiste die Frage, ob alles so gekommen wäre, wie es gekommen war, wenn Tosch während der neunzehn Jahre nicht krank und ich während der neunzehn Jahre nicht alt geworden wäre.

Tosch sieht sich von Anfang an nicht als klassischer Stiefvater, und nimmt dennoch im Leben von Paula, der Tochter der Ich-Erzählerin, eine sehr wichtige Rolle ein. Durch die regelmäßigen Kontakte und gemeinsame Urlaube prägt er ihr Aufwachsen und trägt ganz wesentlich zu ihre Bildung bei, fördert ihr Interesse und Verständnis für Sprache und Literatur. Gerade dass er keine traditionellen väterlichen Aufgaben übernimmt, gibt ihm und Paula viel Freiheit für aufmerksame Begegnungen; ähnlich, so erlebe ich es, wie die getrennten Wohnungen dem Liebespaar lange Zeit ein besonders aufmerksames und liebevolles Miteinander jenseits vom Alltag ermöglicht.

Ein unbedingt empfehlenswertes Buch über eine intensive Liebe und besondere Familie, das sich leicht liest und im Gedächtnis bleibt.

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Katja Oskamp
Die vorletzte Frau

ISBN 9783988160201
park x ullstein Verlag