Interview: drei Fragen an Turid Müller zu Grey Rock und Yellow Rock

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Als Psychologin und Coach arbeitet Turid Müller schwerpunktmäßig im Bereich Kommunikation. Außerdem begleitet die Autorin von „Verdeckter Narzissmus in Beziehungen“, Menschen dabei, sich aus dysfunktionalen Beziehungen zu lösen. Seit Januar steht sie Ratsuchenden auch in ihrem Podcast #mutigesherz zu allen Themen rund um das, was man heute salopp „toxische Beziehungen“ nennt zur Seite. Ende März erschien ihr erster Krimi „Im Schatten der Insel“, in dem es auch um emotionalen Missbrauch geht – nämlich zur Zeit der Kinderverschickung. 

Turid Müller war bereits in vielen Folgen von Familie Bleiben zu Gast. Die thematisch zu diesem Interview passenden sind unten verlinkt. Darin erklärt die Expertin für herausfordernde Beziehungen einige der gängigsten Kommunikationstechniken für den Umgang mit dem oder der Ex nach einer Trennung. Ergänzend dazu stelle ich ihr in diesem Blog drei Fragen.

Frage 1

Was ist nach als belastend oder gar missbräuchlich empfundenen Beziehungen in der Kommunikation zu beachten?

Nach solchen Partnerschaften gilt es vor allem, Abstand zu gewinnen und sich selbst zu schützen. Wenn das nicht gelingt, können die seelischen Wunden schwerer heilen. Es kann auch zu einem Rückfall in die alte Beziehungsdynamik kommen.
Ich arbeite viel mit Menschen, die Anlass zur Sorge haben, dass der Mensch an ihrer Seite narzisstisch ist. In diesem Fall beispielsweise ist es häufig angeraten, den Kontakt nach Möglichkeit ganz abzubrechen. Das ist allerdings nicht immer möglich – zum Beispiel, wenn Kinder im Spiel sind.

Frage 2

Wie funktioniert Grey Rock und wann kann es die passende Kommunikationsmethode sein?

Bei Grey Rock, der bekanntesten Kommunikationstechnik für den Umgang mit narzisstischen Personen, ist der Name Programm: Wir werden langweilig wie ein grauer Stein, um dem Gegenüber keine narzisstische Zufuhr mehr zu liefern, und gleichzeitig auch nicht zu einer Gefahr zu werden – z.B. als Konkurrenz. Auf diese Weise uninteressant geworden, verlieren wir die Aufmerksamkeit des Expartners bzw. der Expartnerin. Und das ist wünschenswert. Denn der Kontakt sollte abgebrochen oder auf das Nötigste beschränkt werden.
Das erreichen wir durch kurze, oberflächlich-freundliche Antworten, die nicht dazu einladen, das Gespräch zu vertiefen und dadurch, dass wir uns nicht provozieren lassen. Denn auch negative Emotionen und Gefühlsausbrüche können als Zufuhr erlebt werden, wenn es gelingt, unsere Knöpfe zu drücken.
Auch das Medium kann eine Hilfe dabei sein, Abstand zu gewinnen – eine SMS kann uns weniger aufwühlen als eine persönliche Begegnung. Und sie gibt uns mehr Reaktionszeit.
Grey Rock kann in der Arbeitswelt funktionieren. Oder wenn wir uns alle paar Jahre mal für ein paar Minuten Smalltalk bei einer Hochzeit treffen. Wenn allerdings engmaschige Absprachen nötig sind, wie bei der Betreuung gemeinsamer Kinder, ist diese Technik meist nicht das richtige Mittel. Hier bietet sich stattdessen Yellow Rock an. 

Wenn engmaschige Absprachen nötig sind, wie bei der Betreuung gemeinsamer Kinder, ist Grey Rock meist nicht das richtige Mittel.

Turid Müller

Frage 3

Wie unterscheidet sich davon Yellow Rock und wann kann es angewendet werden?

Yellow Rock, also „gelber Stein“, ist im Prinzip Grey Rock mit einem freundlicheren Anstrich. Die Technik schützt ähnlich wie Grey Rock davor, erneut verstrickt oder verletzt zu werden. Doch es gibt zwei wesentliche Unterschiede: Erstens können wir hier etwas ausführlicher in den Austausch gehen, was wichtig ist, um Fragen rund um die Kinderbetreuung zu regeln. Und zweitens wirken die Antworten weniger schroff. Das ist vor allem relevant für Dritte. Kinder, andere Familienmitglieder oder Außenstehende, die bei familienrechtlichen Fragen mitentscheiden, sollen schließlich nicht denken, dass wir Teil des Problems sind, wie Tina Swithin, die Erfinderin dieser Technik so treffend sagt.

Yellow Rock, also „gelber Stein“, ist im Prinzip Grey Rock mit einem freundlicheren Anstrich.

Turid Müller



Was heißt das konkret? Kurze Antworten auf Distanz-schaffenden Kommunikationskanälen bleiben weiter möglich, doch können auch etwas freundlicher und vertiefender gestaltet werden. Zum Beispiel indem wir daran erinnern, dass es uns beiden um das Wohl der Kinder geht. Das führt auch automatisch raus aus Vorwurfsspirale und ollen Kamellen der Exbeziehung – hin zur zu organisierenden Gegenwart. Oder in eine hoffnungsvolle, konstruktive Zukunft.

Ich gebe mal ein konkretes Beispiel:
Wenn der Exmann wissen möchte, ob das erste Weihnachten nach der Trennung gemeinsam gefeiert werden kann, würden wir ihm vermutlich gern was husten, und ihm um die Ohren hauen, dass das für unsere verletzten Gefühle das letzte wäre, was wir uns wünschen. Keine gute Idee! Denn mit einem solchen Ausbruch machen wir uns nur verletzlich und angreifbar. Außerdem ist das eine Steilvorlage für eine Auseinandersetzung, die unsere Kapazität wieder im alten Hickhack binden würde.
Bei Grey Rock hingegen würden wir nicht reagieren, mit einem schlichten „nein“ antworten oder unter einem Vorwand absagen. – Doch wie sähe das für Unbeteiligte aus? Richtig! Als wären wir unkonstruktiv. Und auch für uns selbst mag es sich sehr unempathisch anfühlen – gar nicht unsere Art!

In Yellow Rock könnte das Ganze so klingen: „Danke, dass Du Dir Gedanken über die Gestaltung des Weihnachtsfestes machst. Dieses Jahr halte ich es für wahrscheinlich, dass wir uns streiten würden, was nicht gut für die Kinder wäre. Doch würde ich mir wünschen, dass wir eines Tages wieder zusammen feiern können.“ Das macht Hoffnung und klingt versöhnlich. Der Fokus auf das Wohl der Kinder macht es unnötig, eigene Befindlichkeiten zu thematisieren, die leicht zu Verhakungen führen können. – Fertig ist der gelbe Stein!

Man kann diese Antworten übrigens auch vorbereiten, um sie im Ernstfall parat zu haben, wenn wir gegebenenfalls zu getriggert sind, um uns an eine Kommunikationsmethode zu erinnern. Dazu mehr im ausführlichen Podcast Gespräch zu Yellow Rock und Grey Rock.


Falls es Fragen gibt, bin ich gern da. Und die nächste Folge kommt bestimmt!

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Foto: Torge Niemann