Während unserer Sommerpause im August stellen wir an dieser Stelle Romane vor, die sich erzählerisch mit familiären Themen befassen.
Den Anfang macht ein erst kürzlich erschienenes, sehr beeindruckendes Debüt: Caroline Wahl schildert zärtlich, rau, wirklichkeitsnah und sehr berührend ein junges Leben voller Aufgaben und Verpflichtungen.
Tilda lebt mit ihrer Mutter und kleinen (Halb-) Schwester in einer Kleinstadt. Sie studiert in der nächstgelegenen größeren Stadt Mathematik und jobbt an der Kasse eines Supermarkt. Neben dem Geld verdienen kümmert sie sich um den familiären Haushalt, und sehr liebevoll um ihre jüngere Schwester Ida. Die gemeinsame Mutter ist alkoholabhängig und die beiden Väter abwesend.
Zeit für sich hat Tilda nur im Freibad, wenn sie dort, so oft ihre Verpflichtungen zulassen, 22 Bahnen schwimmt. Nur bei schlechtem Wetter begleitet sie ihre menschenscheue jüngere Schwester.
Der engmaschig durchgetaktete Alltag von Tilda verändert sich, als sie im Freibad auf Viktor trifft, der ebenfalls regelmäßig 22 Bahnen schwimmt. Zeitgleich geht es ihrer Mutter so schlecht, dass diese ins Krankenhaus eingeliefert und dort stationär behandelt werden muss.
Und Tilda erhält die Chance auf eine Promotion in Berlin, was aber bedeuten würde, die kleine Schwester mit der Mutter alleine zu lassen.
Sehr schön und klar geschrieben – liebevoll und schonungslos zugleich. Es ist unmöglich, nicht mit Tilda mitzufühlen und zu hoffen, dass sie für sich, für ihre Schwester, für ihre Familie den passenden Weg findet.
»22 Bahnen« ist der erste Roman der 1995 geborenen Caroline Wahl, für den sie mit dem Ulla-Hahn-Autorenpreis 2023 ausgezeichnet wurde.
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Caroline Wahl
22 Bahnen
DuMont Buchverlag 2023
ISBN-10 : 3832168036
ISBN-13 : 978-3832168032